Weiss-sagerei
Weiss - die bedeutungsschwere "Nichtfarbe"
"Im Gegensatz zu Schwarz, der völligen Abwesenheit von Farbe, ist Weiss die Summe aller Farben des Lichts. Es verkörpert also physikalisch gesehen nicht das Nichts, sondern Alles. Von allen Farben des Regenbogens enthält Weiss ein Quäntchen, es birgt die Möglichkeit aller Farben. Der Eindruck von Farbe entsteht, wenn Teile des weißen Lichts absorbiert und andere zum Betrachter zurückgeworfen werden. Weiss galt bei den Impressionisten, die sich intensiv mit der Wirkung von Licht beschäftigten, als "Nichtfarbe".
Diese Auffassung findet sich auch im Sprachgebrauch wieder: "Weiss wie die Wand" oder "kreideweiss" ist, wer kurz vor der Ohnmacht steht oder Lampenfieber hat. In diesem Zusammenhang steht Weiß für die Abwesenheit aller gesunden Gesichtsfarbe, die sich beispielsweise in roten Wangen äußern würde. Auch hat Weiss, gemischt mit anderen Farben, eine bleichende Wirkung; es nimmt den bunten Farben den Knalleffekt. Trotz seiner unbunten Eigenschaften hat Weiss dennoch seinen Platz im menschlichen Farbempfinden. Der Mensch verbindet mit Weiss eine Reihe von Eigenschaften, Assoziationen und Emotionen, die er keiner anderen Farbe zuordnet.
In fast allen Zusammenhängen hat Weiss eine positive Bedeutung. Erleuchtung, Reinheit, Unschuld und Einfachheit sind nur einige Beispiele für solche positiven Assoziationen, und schlagen sich in zahlreichen Bräuchen, Traditionen und auch dem ein oder anderen Missverständnis nieder."
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Weiss ist kein kurzer Hype, sondern zieht sich durch alle Design- und Alltagskulturbereiche. Heute verheißt Weiss Luxus und Weiss verheißt Kunst. Im Kunstrauschjahr 2007 widmet sich Metropolis im Hochsommer ganz der angesagtesten Farbe, die manche für keine halten, aber gerade deshalb die interessantesten Assoziationen, Metaphern und Bilder evoziert.
Weiss ist das neue Schwarz des 21. Jahrhunderts: die dominierende Farbe der edlen Eleganz, bei Autos, Kleidern und Handtaschen. Auf den Möbelmessen in Mailand und Köln strahlte es den Besuchern von allen Seiten entgegen, riesige Sofas, glänzende Tische, Sessel, Lampen und Regale.
Wie jeder Trend ist auch dieser schon mal dagewesen: Weiss ist die Farbe des Klassizismus und der Moderne, die mit dem Jugendstil begann. Designer wie Charles Rennie Mackintosh und Künstler wie Heinrich Vogeler möblierten ihre Häuser mit leichtfüßig wirkenden Schränken, Kommoden und Stühlen in Weiss. Die Wirkung war überwältigend: als hätten sie die düster vollgestopften Häuser der Gründerzeit einmal richtig durchgelüftet. Weiss wurde zum Erkennungszeichen der modernen Architektur, in Stuttgart wurde die Weißenhofsiedlung gebaut, in Berlin die Weiße Stadt, Le Corbusier gestaltete eigentlich alles in Weiss.
Die Farbe Weiss spielt in der Architektur Richard Meiers eine beständige Hauptrolle und seine Bauten wirken in ihrer Reinheit zuweilen wie Kathedralen des Lichts.
Für den Baumeister findet Architektur in der reinen Nicht-Farbigkeit zu ihrem klarsten Ausdruck: Weiss vermittelt am einfachsten zwischen den beiden architektonischen Prinzipien Transparenz und Geschlossenheit.
Weiss macht sichtbar - Weiss macht aber auch blind
Das Weiss besitzt 2 Konnotationen, nämlich die der höchsten Anwesenheit und die der entferntesten Abwesenheit - man denke dabei an die Empfindungen Fülle und Leere, Wärme und Kälte, Sichtbarmachung und Verblendung, die Weiss evozieren kann. Um ein einfaches Beispiel zu bringen: scheint die Sonne, ist es hell und die Welt ist sichtbar; scheint die Sonne aber zu hell ist plötzlich alles verblendet und man sieht nichts mehr. Allein der Grad der Lichtzufuhr entscheidet über sichtbar und unsichtbar.
Weiss als die Farbe der Leere und des Nichts lässt Raum für Kreativität. Es ist die Farbe des Neuanfangs – die weiße Leinwand des Malers birgt die Möglichkeit eines Meisterwerks sowie eines Schandflecks; sie kann einschüchtern oder anregen, je nach der geistigen Verfassung des Malers. So ist auch der weiße Fleck auf der Landkarte dem Abenteuerlustigen eine Verlockung, dem Ängstlichen aber eine Gefahrenzone.
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Wolfgang Ullrich
Weiss
Verlag: S Fischer
ISBN: 978-3-596-15758-7
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Verlag: facultas wuv universitätsverlag
ISBN: 978-3-85114-870-1
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