Tuesday, October 21, 2008

Das Maiglöckchen-Prinzip

Können es Frauen besser als Männer? Und Tiere besser als Menschen?
Fragen und Antworten zum Thema Riechen.

Wie viele Gerüche können wir eigentlich wahrnehmen?
Bei der Verleihung der Nobelpreise für Medizin oder Physiologie an Linda Buck und Richard Axel im Jahr 2004 hieß es in der Würdigung, dass wir Menschen in der Lage seien, 10.000 verschiedene Düfte wahrzunehmen. Die Ursprünge dieser Zahl dürften wiederum auf einen Aufsatz zurückgehen, den Forscher der Firma Arthur D. Little 1954 veröffentlichten, wie der Geruchsforscher Avery Gilbert für sein neues Buch „What the Nose Knows“ recherchierte. Wissenschaftlich betrachtet ist die Zahl wertlos: Sie entstand aus Schätzungen, wie stark ein bestimmter Duft (auf einer Skala von 0 bis vier verschiedenen „Grundgerüchen“ ähnelt. Tatsächlich weiß niemand, wie viele Gerüche wir unterscheiden können.

Weiß die Wissenschaft wenigstens, wie das mit dem Riechen funktioniert?
Nun ja, auch nicht wirklich ganz genau. Im Wesentlichen hat man sich den Riechvorgang so vorzustellen: Geruch besteht aus den Molekülen von Duftstoffen. Wenn diese zur Riechschleimhaut in unserer oberen Nase gelangen, werden sie von den dort befindlichen Rezeptoren – wir haben 350 verschiedene Arten davon – registriert, in ein elektrisches Signal umgewandelt und über Nervenbahnen ins Gehirn geschickt. Diese Riechrezeptoren sitzen auf der Oberfläche der Zellen der Riechschleimhaut und funktionieren in etwa nach dem Prinzip Schlüssel (Molekülstruktur des Dufts) und Schloss (Rezeptor). Wenn der Schlüssel passt, wird das Signal weitergeleitet. Mindestens genauso wichtig wie die räumliche Struktur der Moleküle dürfte die Ladungsverteilung der Moleküle und des Rezeptors sein. Wenn das Ladungsfeld entgegengesetzt ist und sich die beiden abstoßen, hilft es auch nicht, wenn die Struktur noch so gut passt.

Wie gut kann der Mensch im Vergleich zu anderen Tieren Gerüche wahrnehmen?
Gar nicht einmal so schlecht. Im Vergleich zu vielen Tieren ist er zwar ein Mikrosmatiker, ein Nasenzwerg. Wahre Makrosmatiker sind viele der höheren Säugetiere, wenn auch nicht unbedingt die „höchsten“: Nagetiere, Bären, Hunde oder Katzen können praktisch alles Wichtige – Nahrung, Sexualpartner – nur mit der Nase finden und haben auch eine entsprechend ausdifferenzierte Geruchssprache entwickelt. Ratten haben ungefähr 1500 Rezeptortypen, Hunde ungefähr 1000, Mäuse 900, die Schimpansen und wir in etwa 350. Delfine haben übrigens keinen einzigen. Wichtiger ist aber die Anzahl der Riechsinneszellen: Wir haben rund 20 Millionen, ein Jagdhund ungefähr zehnmal so viele. Und Eisbären haben gar eine Milliarde davon. Deshalb können sie auch unter Wasser mit geschlossenen Augen nach Beute jagen.

Schädigt Rauchen den Geruchssinn?
Neue Studien kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen: Eine australische Untersuchung an 942 Personen fand heraus, dass bis zu 15 Minuten nach einer Zigarette die Geruchswahrnehmung beeinträchtigt ist. Ansonsten zeigten sich zwischen Rauchern (außer wirklich intensiven Kettenrauchern) und Nichtrauchern keine Unterschiede. Eine großangelegte Untersuchung von National Geographic zum Beispiel kam zum Schluss, dass Raucher bestimmte Düfte (wie einen künstlichen Moschusgeruch) stärker bzw. angenehmer wahrnehmen, andere Gerüche eher schlechter als Nichtraucher. Faktum ist aber auch, dass viele der besten Parfümeure wie Schornsteine geraucht haben.

Können Frauen tatsächlich besser riechen als Männer?
Ja. Das haben verschiedene Tests mit ganz unterschiedlichen Testmethoden auf der ganzen Welt ergeben. Frauen brauchen geringere Konzentrationen an Duftstoffen und können diese besser benennen. An den Nasen liegt das nicht, allenfalls während der Menstruation, wenn nämlich die Riechschleimhaut bei Frauen anschwillt. Am besten können Frauen allerdings während des Eisprungs riechen, und das hat wohl mit den Hormonen zu tun. Wie genau aber, weiß man nicht. Bewiesen ist auch, dass weibliche Babys in den ersten Lebenswochen Düften mehr Aufmerksamkeit schenken als ihre männlichen Kollegen. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Tatsache, dass Frauen im Normalfall eine höhere verbale Ausdrucksfähigkeit haben.

Prof. Hanns Hatt - Das Maiglöckchen-Prinzip

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