Wednesday, February 15, 2006

Traumhafte Dekadenz ...


Fellinis Satyricon
(Satyricon)
Italien 1969, 138 Minuten
Regie: Federico Fellini

Man fühlt sich versetzt in einen Traum, einen Alptraum zumeist, gespielt gleichsam sowohl auf der antiken Bühne eines Amphitheaters, wie auch in Unterwelt, wenn die beiden Studenten Encolpio (Martin Potter) und Ascilto (Hiram Keller) durch die Gelage und Obszönitäten, frivolen und ekelhaften Schauplätze Roms zur Zeit Neros wandern. Man wandert mit, wie in einer Galerie von Gemälden, einzelnen Szenen, und manches Mal hatte ich den Eindruck, dass Fellinis Inszenierung, die auf den erhaltenen Fragmenten des satirischen Romans "Satyricon" des Gaius Petronius (gestorben um 66 n. Chr.) beruht, dem Leidensweg Christi nachempfunden ist, wie er etwa in den so genannten Stationswegen dargestellt wird. Am Ende dieses Leidenwegs aber steht keine Erlösung, keine Wiederauferstehung, keine heilige Dreieinigkeit oder ähnliches.

Die beiden Jünglinge durchwandern ein finsteres Tal, wetteifern um den jungen Sklaven Gitone (Max Born) - Pädophilie spielt eine zentrale Rolle in dieser Zeit -, lernen die verschiedenen Seiten der römischen Gesellschaft kennen, nehmen am Gastmahl des herrschsüchtigen Trimalcione (Mario Romagnoli), der sich mit dem Dichter Eumolpo (Salvo Randone) streitet, und dessen Frau Fortunato (Magali Noël) teil, werden von einem Tyrannen namens Lica (Alain Cuny) gefangen genommen, der später geköpft wird, werden Zeuge des Selbstmordes eines Patrizierehepaares, das vorher seine Sklaven in die Freiheit entlassen hatte. Wie Theseus muss Encolpios gegen den Minotaurus (George Eastman) kämpfen, der sich dann jedoch als Schauspieler entpuppt. Gewalt, Tyrannei, Laster ? was anderes scheint es in dieser phantastischen Welt nicht zu geben ...

Fellini zeichnet ein Sittengemälde, das sich von der Vorlage des Petronius sicherlich an vielen Stellen entfernt hat. Man begegnet skurrilen, abscheulichen, manchmal märchenhaften Gestalten, fetten Frauen und noch fetteren männlichen Kolossen, Hermaphroditen, sich Gelagen hingebenden Patriziern, nimmt an fremden Gebräuchen teil, deren Sinn einem unverständlich bleibt. Fellini, der andererseits dem fragmentarischen Charakter der Vorlage des Petronius treu geblieben ist, erzählt nicht, er zeigt, lässt Einblicke zu in unwirkliche Landschaften, eine verborgene Unterwelt, in der schöne Knaben, die den Herrschenden in Rom als sexuelles Futter dienen, ebenso zu sehen sind wie Zwerge und Krüppel, erfolglose Schriftsteller und skrupellose Tyrannen. Diese Bilderfolge, gepaart mit geheimnisvollen Zeichen und Symbolen, Gebärden und abrupten Szenenwechseln, deutet jedoch nicht so sehr auf deren Ursprünge bei Petronius, der seine Zeit satirisch begleitete und die Emporkömmlinge im Rom Neros einer beißenden und spottenden Kritik unterzog (weswegen er von einem Günstling Neros beschuldigt und dann in den Selbstmord getrieben wurde).

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