Monday, June 13, 2005

Unsterbliche Liebe III



Romeo and Juliet, 1593
Von William Shakespeare.


"Du willst schon fort? Es ist noch längst nicht Tag:
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
Die deinem Ohr ins bange Innre drang;
Sie singt bei Nacht auf dem Granatbaum dort:
Geliebter glaub's es war die Nachtigall."


Marie Luise Kaschnitz (1901-1974)
Romeo und Julia

Man spielte Romeo und Julia
Im Klostergarten unter freiem Himmel.
Romeo war keiner von denen, die Angst vor dem Wagnis haben
Und die liebliche Julia erschrak nicht vor seinem Kusse
Alles in diesen beiden war hell, ohne Abgrund.
Nur das Verhängnis war um sie von Anfang an.
Es wehte im Wind, der den Vorhang des Bettes bewegte
Es stieg aus dem bitteren Efeu des Klosterhofs.

Alle die jungen Menschen auf den eisernen Gartenstühlen
Wußten von vorneherein, daß die Sache schlecht ausgehen würde
Daß irgend etwas ganz Dummes geschehen wurde
Etwas das nichts mit dem Streite zu tun hatte
Und nichts mit dem Feuer der Liebe.

Ab und zu legte einer den Kopf in den Nacken
Über den Mauern ragten die Trümmer auf
Von der Straße klang das Geschrei der Zeitungsverkäufer
Die Fliegen leuchteten feurig im Scheinwerferlicht.

Kurz vor halb elf Uhr kreuzte das Nachtflugzeug
Mit roten und grünen Laternen die Bucht des Himmels
Julia in der Grabkammer schlug ihre Augen auf
Und Romeo war tot.

Die jungen Leute
Suchten in ihren Taschen nach der Garderobennummer.
Keiner, der nicht bis ins Mark gefroren hatte
Als das Licht auf der Bühne erlosch.

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